Materialanhäufungen erklärt| Glossar

Materialanhäufungen im Spritzguss – Definition, Ursachen und Lösungsansätze

Materialanhäufungen gehören zu den häufigsten Herausforderungen in der Kunststoffverarbeitung. Besonders im Spritzguss können solche ungewollten Verdickungen der Wandstärke gravierende Auswirkungen auf die Qualität, Optik und Funktion eines Bauteils haben. In diesem Beitrag erklären wir, was genau unter Materialanhäufungen verstanden wird, welche Ursachen dahinterstecken und wie sie sich vermeiden lassen.

Was sind Materialanhäufungen?

Materialanhäufungen sind lokale Bereiche innerhalb eines Spritzgussteils, in denen die Wandstärke deutlich größer ist als im restlichen Bauteil. Diese Verdickungen entstehen durch ungünstige Geometrien, unzureichende Entformungsschrägen oder fehloptimierte Werkzeugkonstruktionen.

Typischerweise treten Materialanhäufungen an folgenden Stellen auf:

  • Übergänge zwischen Rippen und Wänden

  • Verbindungsstellen von Gehäuseteilen

  • Verstärkungsstrukturen

  • Schraubdomen oder anderen Befestigungselementen

Je nach Material und Wanddicke können sich durch Materialanhäufungen sichtbare Einfallstellen, Verzug, Lufteinschlüsse oder sogar innere Spannungen bilden, die die Bauteilqualität und -stabilität negativ beeinflussen.

Warum sind Materialanhäufungen problematisch?

Obwohl sie auf den ersten Blick unkritisch wirken, sind Materialanhäufungen eine der Hauptursachen für qualitative Mängel im Spritzgussprozess. Die nachfolgenden Probleme treten häufig auf:

1. Einfallstellen und Oberflächenfehler

Durch eine zu hohe Materialdicke kühlen die betroffenen Stellen im Vergleich zur restlichen Struktur langsamer ab. Beim Schrumpfen des Kunststoffs während des Abkühlens entstehen dadurch sichtbare Vertiefungen, sogenannte Einfallstellen, die die Oberfläche uneben oder optisch minderwertig wirken lassen.

2. Verzug und Maßungenauigkeit

Die ungleichmäßige Abkühlung verursacht innere Spannungen im Bauteil. Dies kann zu Verzug führen, wodurch Formtreue und Maßhaltigkeit leiden – ein kritischer Aspekt, wenn das Bauteil mechanisch belastet oder mit anderen Teilen verbaut wird.

3. Lufteinschlüsse und Bindenähte

Dicke Materialanhäufungen können die Fließwege verlängern oder turbulente Strömungen erzeugen. Dies begünstigt Lufteinschlüsse oder schwache Bindenähte, die wiederum die Festigkeit des Teils beeinträchtigen.

4. Längere Zykluszeiten und höhere Kosten

Stellen mit mehr Material brauchen länger, um auszukühlen. Dadurch verlängert sich die Zykluszeit pro Teil – was wiederum die Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Produktion reduziert.

Ursachen von Materialanhäufungen

Materialanhäufungen entstehen meist durch eine Kombination aus Designfehlern, unzureichender Simulation und falscher Werkzeugauslegung. Die häufigsten Ursachen sind:

  • Überdimensionierte Rippen oder Verstärkungsstrukturen

  • Unzureichende Wanddickenreduktion an Kreuzungen oder Schnittstellen

  • Mangelhafte Fließwegsimulation bei komplexen Geometrien

  • Zu geringe Entformungsschrägen oder falsche Angusspositionen

  • Unzureichende Erfahrung bei der Werkzeugkonstruktion

Ein häufiger Fehler ist das einfache „Draufmodellieren“ von Verstärkungsstrukturen, ohne die Auswirkungen auf die Wandstärke systematisch zu überprüfen.

Materialanhäufungen vermeiden – diese Maßnahmen helfen

Professionelle Spritzgussteile zeichnen sich durch eine gleichmäßige Wanddicke aus. Durch vorausschauendes Design und die richtige Werkzeugauslegung lassen sich Materialanhäufungen gezielt vermeiden:

1. Optimierung der Bauteilgeometrie

Bereits in der Konstruktionsphase sollte auf gleichmäßige Wandstärken geachtet werden. Rippen, Dome oder Verstärkungen sollten immer proportional zur Hauptwandstärke gestaltet sein (z. B. max. 0,5–0,7 der Wandstärke).

2. Radien statt scharfer Kanten

Scharfe Innenkanten oder T-Verbindungen führen häufig zu lokalen Anhäufungen. Abgerundete Übergänge mit sauberen Radien reduzieren die Wanddicke an den kritischen Stellen.

3. Simulationsgestützte Entwicklung (Moldflow)

Eine Moldflow-Analyse im Vorfeld hilft dabei, Fließverhalten, Temperaturverteilung und potenzielle Problemzonen zu erkennen. So lassen sich Materialanhäufungen frühzeitig identifizieren und vermeiden.

4. Werkzeugtechnische Lösungen

Wenn sich eine Anhäufung konstruktiv nicht vermeiden lässt, können technische Maßnahmen im Werkzeug helfen – z. B. durch zusätzliche Kühlkanäle, variotherme Temperierung oder gezielte Entlüftung.

5. Geeignete Materialwahl

Nicht jeder Kunststoff verhält sich bei großen Wandstärken gleich. Materialien mit geringerem Schrumpfverhalten oder speziellen Additiven können Materialanhäufungen besser kompensieren.

Praxisbeispiele: Materialanhäufungen erkennen und beheben

In der Praxis erkennen erfahrene Spritzguss-Experten Materialanhäufungen oft schon beim Blick auf ein CAD-Modell. Besonders problematisch sind:

  • Schraubdome ohne Ausdrehung

  • Doppelwände ohne durchgängige Rippenstruktur

  • Gehäuseteile mit unterschiedlich dickem Ober- und Unterteil

Ein typisches Beispiel ist die Gehäusekonstruktion für elektronische Komponenten: Werden hier Schraubdome ohne Rücksicht auf Wandstärken platziert, bilden sich massive Anhäufungen im Bereich der Befestigung. Hier kann z. B. durch Hohlfräsen oder eine Rippenumrandung optimiert werden.

Fazit: Materialanhäufungen vermeiden heißt Qualität sichern

Materialanhäufungen wirken sich direkt auf die Produktqualität, Funktion und Wirtschaftlichkeit im Spritzguss aus. Sie sind weder ein kosmetisches Problem noch ein unvermeidbarer Designkompromiss – mit der richtigen Planung, Simulation und Erfahrung lassen sie sich systematisch vermeiden.

Wer hochwertige Kunststoffteile im Spritzgussverfahren herstellen will, sollte Materialanhäufungen als zentrales Qualitätsrisiko verstehen und aktiv dagegen vorgehen.

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